Perry 131 (Sept. 2006) – Auf der Suche nach dem PERRY-Stil
Die Einstellung von PERRY – UNSER MANN IM ALL im Jahre 1975 hinterließ eine große Lücke, keine Frage. Aber erst im Laufe der Zeit ist vielen ehemaligen Lesern wirklich klar geworden, was ihnen abhanden gekommen war: ein Comic mit einer einzigartigen, unverwechselbaren Handschrift. Eine echte Marke eben.
Es ist nicht einfach, einer derartigen Legende neues Leben einzuhauchen. Das fängt schon an bei der Frage: Was ist das eigentlich, der „PERRY-Stil“?
Ok, die letzten 30 bis 40 PERRY-Ausgaben der 1975 eingestellten Serie können wir getrost vergessen. Zu lahm, zu bieder, zu einfallslos. Nichts mehr los im Pop-Art-Universum.
Aber auch in der Blüte zwischen den Ausgaben 37 und 80 ist kein wirklich einheitlicher Stil zu erkennen. Denn PERRY wurde im italienischen Studio Giolitti gezeichnet, und es waren viele Hände mit am Werk.
Der klassische PERRY-Stil unter der Lupe
Insgesamt lassen sich dennoch drei Stilrichtungen unterscheiden:
- der des „Erfinders“ der PERRY-Pop-Art Giorgio Gambiotti. Großzügiges Layout, dicke Linien, originelle Designs.
- der „Ami-Stil“ wie etwa in Heft 49. Detailreich, handwerklich elegante Pinsel-Featherings, dynamische Action-Figuren wie in den Marvel-Comics z.B. eines John Buscema.
- der „spanische Stil“ á la José Gonzales oder Esteban Maroto. Feine Federlinien, wenig Schwarz, romantische Layouts. Siehe etwa Heft 73 oder 75.
Als wir im Sommer 2005 mit den Characterdesigns zu PERRY begannen, entschlossen wir uns zu einer Orientierung am erwähnten „Ami-Stil“, der einfach am leichtesten zu begreifen und den wir wenigstens halbwegs imitieren konnten.
PERRYs Rückkehr
Über ein Dutzend Zeichner beteiligten sich an der Debütausgabe; geprägt aber wurde die Story von Simone Kesterton (Layout/Figuren/Inks), Annik Lazar (Layout/Figuren), Mischa Bernauer (Layout/Design) und Philip Cassirer (Backgrounds/Technik/Aliens). Am Ende hielt zudem Wittek das Ganze durch seinen klaren Strich und jede Menge Effekte und Soundwords zusammen.
Die nächste Hürde galt es bei der Kolorierung zu überwinden. Die teilweise grausige farbliche Wirkung der alten Hefte wollten wir auf keinen Fall imitieren – also versuchte es Inge Förtsch mit einer Aquarellierung nach Vorgaben von Wittek.
Als das Heft schließlich erschien, versanken wir regelrecht in euphorischen Reaktionen: Wir hatten es tatsächlich geschafft! Ohne die alten Hefte plump zu imitieren, war es uns gelungen, die Atmosphäre des Pop-Art-PERRY ins neue Jahrtausend hinüberzuretten!
Auf in die nächste Runde
Aber dabei konnte es nicht bleiben. Wir wollten mehr. UNSEREN PERRY! Einen modernen Comic mit unserer Handschrift, der Liebhaber der alten Serie, Leser der Romane genauso wie jüngere Comic-Fans begeistert.
Kein einfaches Unterfangen, und die Arbeiten am zweiten PERRY endeten zunächst einmal mit einer Bauchlandung. Tatsächlich hatten wir die irrwitzige Idee, noch mehr Leute ins Team zu integrieren. Zusammenarbeit per Internet – Finalisierung im Studio.
Das Ganze endete in einem Fiasko: Nach den ersten drei Seiten, deren Fertigstellung ewig dauerte, einem nervtötenden Monster-Meeting des 12-köpfigen PERRY-Teams und der erschreckenden Vorstellung, daß es in diesem Stil weitergehen würde, mußte der Stecker gezogen werden. Und das hieß in diesem Falle: kompletter Neubeginn!
Neuanfang radikal
Das PERRY-Team wurde radikal zusammengedampft, Story und Konzept umgeschrieben. PERRY-Autor Kai Hirdt mußte seine (fast) seriöse Story mit reichlich Fuckbots und anderem Trash aufpeppen und wird sich wohl schon bald eine PERRY-Ganzkörpertätowierung verpassen lassen.
Von nun an sind nur noch Vincent Burmeister und Simone Kesterton für die Zeichnungen der Hauptstory verantwortlich, Simone zeichnet zudem nach Vorarbeiten von Till Felix und Wittek die GUCKY-Story, während Till und Philip Cassirer bei ATLAN kooperieren.
Von nun an lief‘s plötzlich wie Schmidts Katze: Vincent hatte bald den Bogen raus, wie man den PERRY-Stil auf ein neues Fundament stellen konnte. Ihm geht es darum, nicht einfach nur die Panels relativ willkürlich durcheinanderwirbeln zu lassen, sondern die Ästethik Gambiottis und der Pop Art der 60er wirklich zu verstehen und ihr neues, zeitgemäßes Leben einzuhauchen.
Während also Vincent die Seiten gestaltet und die Hintergründe tuscht, kann Simone endlich den Figuren den Look ihrer Wahl verpassen und behält dabei auch bei der Tusche die volle Kontrolle. So wie‘s wohl jeder Zeichner bevorzugen würde.
Womit wir wieder bei der Kolorierung angelangt wären. Inge Förtsch stand für ein weiteres Heft nicht zur Verfügung, und niemand in Sichtweite, der konnte und zudem Zeit hatte. Manchmal muß man aber einfach Glück haben: Just zu diesem Zeitpunkt voller Fragezeichen rief eine gewisse Nadia Enis aus Bonn an, um sich für ein zweimonatiges Praktikum in der ALLIGATOR FARM zu bewerben.
Nadia hatte in den letzten Jahren in diversen Web-Communities durch erstklassige digitale Kolorierungen auf sich aufmerksam gemacht – wir hatten unsere PERRY-Koloristin gefunden.
Als Nadia schließlich mit Sack und Pack in Hamburg eintraf und sich ans Werk machte, dauerte es zunächst eine Weile, bis der Pop-Art Groschen fiel, aber dann fräste sie sich förmlich mit dem Balla-Balla-Bagger durch die Zeichnungen: Die Kolo ist schon ziemlich durchgeknallt, aber genau deshalb lieben wir sie!
Ein Cover als Albtraum
Richtig ins Schwitzen brachte uns aber eine wahre Cover-Odyssee: Wie sieht das ideale Titelbild für PERRY aus, und wer macht‘s? Gezeichnet oder gemalt? Science Fiction oder Trash?
Klare Sache: PERRY ist purer, schräger Spaß, und das muß auch ein Titelbild rüberbringen! Eins gemalt für die Kioskausgabe, und ein weiteres gezeichnet für die SUPRAHET-Ausgabe. Punkt.
Hört sich simpel an, aber die Details des dann folgenden Horror-Hindernislaufs ersparen wir Euch lieber. Glaubt uns einfach: Es war kein Spaß, sondern eine Aneinanderreihung elend vieler Versuche, die überhaupt nicht zu PERRY passten.
Und dann kamen schließlich drei Tage vor Drucklegung doch noch zwei tolle Bilder von Steven Bagatzky und Henrik Fetz. Puh, gerade noch mal davongekommen …